Deal? Die Abgasnorm Euro 7
Die Abgasnorm Euro 7 ist von Seiten der EU-Kommission in Planung und stellt hohe Anforderungen an die Fahrzeughersteller. Die Schadstoffemissionen sämtlicher Fahrzeugklassen sollen über alle Antriebsarten hinweg mit einem Regelwerk limitiert werden. Wann die neue Regelung eingeführt wird, ist noch offen.
Am 1. Juli 1992 wurde mit der Abgasnorm Euro 1 die erste Regelung für typgenehmigte Pkw (ab dem 1.Januar 1993 für neu zugelassene Fahrzeuge) eingeführt. Seitdem hat die Europäische Kommission die Richtlinien, was die Schadstoffemissionen von Pkw, Llkw und Lkw angeht, ständig angepasst.
Seit dem 1. September 2023 gilt nunmehr die Abgasnorm Euro 6e (EA) für typgenehmigte Pkw. Sie ist als erste Übergangsstufe zur geplanten Euro-7-Regelung gedacht. Am 1.9.2024 greift sie für neu zugelassene Pkw. Gegenüber der Euro 6d, bei der am 1. September 2018 erstmals das WLTP-Testverfahren eingeführt wurde, hat die Europäische Kommission den CF-Faktor bei RDE (NOx und PN) weiter nach unten korrigiert.
Bezeichnungen im Detail
Schlüsseln wir einmal auf: Das Kürzel WLTP steht für Worldwide-Harmonized-Light-Duty-Vehicle-Test-Procedure. Das Verfahren liefert gegenüber dem alten NEFZ-Prüfverfahren (neuer Europäischer Fahrzyklus) praxisnähere Verbrauchs- und Emissionswerte. Der WLTP-Zyklus, inklusive neuer Testzyklen, soll zudem die reale Fahrsituation besser abbilden. Tatsächlich findet der Test ebenfalls auf einem Rollenprüfstand in der Halle statt, wenngleich auch unter streng standardisierten Bedingungen und unterschiedlichen Lastzyklen. Fahrzeuge unterschiedlichster Motorisierung und Bauart reagieren auf der Straße jedoch ganz anders als auf dem Prüfstand, die Verbrauchs- und Abgaswerte unterscheiden sich teils deutlich vom WLTP-Test. Um diesem Problem zu begegnen, führte man mit der Abgasnorm Euro 6d-temp zusätzlich den sogenannten RDE-Test (Real-Driving-Emissions) ein, quasi als Kontrollverfahren. Gemeint ist die Messung des Abgasverhaltens im realen Straßenbetrieb in der Stadt, der Landstraße und auf der Autobahn. Die Regelung gilt seit dem 1. September 2017 für neu homologierte und seit dem 1. September 2019 für neu zugelassene Pkw und ergänzt also das WLTP-Verfahren.
Der Übereinstimmungsfaktor
Der sogenannte CF-Faktor (Conformity-Factor, Übereinstimmungsfaktor) dient der stetigen Anpassung und Verschärfung der Stickoxid-Grenzwerte (NOx) und der Grenzwerte der Partikelanzahl (PN / Partikel/km). Mit diesen Toleranzzuschlägen werden die statistischen und technischen Ungenauigkeiten ausgeglichen, die im Rahmen der RDE-Messungen auftreten können. Bei der noch für Neuzulassungen bis 31.8.2024 gültigen Euro 6d-ISC-FCM beträgt der CF-Faktor für NOₓ 1,43, für die Anzahl der Partikel PN 1,5.
Wann wird die Euro 7 eingeführt?
Für die seit 1. September 2023 gültige Euro 6e (Typgenehmigung) und ab 1.9.2024 (für Neuzulassung) gelten die CF-Werte 1,1 für NOₓ und 1,34 für die Partikelanzahl PN. Die Euro 6e soll laut ADAC in weiteren zwei Stufen ab 1. Januar 2025 (ab 1. Januar 2026 für neu zugelassene Fahrzeuge) und ab 1. Januar 2027 (ab 1. Januar 2028 für neu zugelassene Fahrzeuge) eingeführt werden. Dabei wird der Übereinstimmungsfaktor CF immer weiter nach unten angepasst. Die Euro-6e-Regelungen gelten als Übergangsphase zur Euro 7, deren Einführung zwar für 2025 angekündigt, aber tatsächlich noch ungewiss ist.
Im Übrigen führte die Messung der Partikelanzahl im Rahmen der neuen AU-Richtlinie für Werkstattbetriebe zu zahlreichen Irritationen. Die Fristen zur Einführung wurden, unter anderem aufgrund nicht lieferbarer Geräte oder Probleme bei der vorgeschriebenen Kalibrierung, immer wieder verschoben. Die Messung der PN selbst macht Sinn, erhöht sie doch die Aussagekraft über die Funktion des DPF und lässt Rückschlüsse auf defekte Anbauteileteile, die an der Verbrennung beteiligt sind, zu.
Euro 7: Diese Neuerungen bringt die Norm
Eine zentrale Neuerung der Euro 7 ist, dass nicht mehr, wie bisher üblich, zwischen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen (Llkw), Lastwagen und Bussen unterschieden wird. Die Emissionsgrenzwerte werden laut EU-Kommission in einem einzigen Regelwerk zusammengefasst. Das klingt transparent. Die Hersteller von schweren Nutzfahrzeugen bekommen zwei Jahre Aufschub.
Zudem gelten die neue Emissionsregelungen auch für Elektrofahrzeuge, da sie kraftstoff- und technologieneutral ausgeführt sind. Das bedeutet, dass neben den Schadstoff-Emissionen der Verbrennungsmotoren auch Partikelemissionen, die vom Bremsen- und Reifenabrieb stammen, in der Euro 7 berücksichtigt werden. Ersteres dürfte für E-Fahrzeuge weniger ein Problem sein, da die Bremsen vergleichsweise wenig betätigt werden.
Für E-Fahrzeuge kommen mit der Euro 7 erstmals auch Anforderungen an die Haltbarkeit der Batterien hinzu. So darf nach fünf Jahren oder 100.000 Kilometern die Speicherkapazität nicht unter 80 Prozent des ursprünglichen Werts fallen, nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern nicht unter 70 Prozent.
Was Pkw und Llkw angeht kommt zu den bisherigen Grenzwerten von Stickoxiden (NOₓ), Kohlenmonoxiden (CO), Partikeln (PN) und Kohlenwasserstoffen (HC) jetzt auch Ammoniak (NH₃) hinzu. NH3 spielt laut ADAC eine Schlüsselrolle bei der Bildung von innerstädtischem Smog. Bei Lkw plant die EU-Kommission auch die Werte von Formaldehyd (CH₂O) und Distickstoffmonoxid (N₂O) zu begrenzen.Die Grenzwerte für Verbrenner-Schadstoffe sinken nicht. Vielmehr werden sie auf dem niedrigsten Euro-6-Niveau der jeweiligen Antriebsarten und Fahrzeugklassen belassen.
Die Messungen im realen Straßenbetrieb gewinnen der neuen Euro 7 zudem an Bedeutung. Sie werden auf Temperaturen bis 45 Grad Celsius sowie um Kurzfahrten erweitert. Der Konformitätsfaktor (CN), der Abweichungen zum gemessenen Prüfstandswert (WLTP) erlaubt, wird laut ADAC abgeschafft.
Zudem werden der EU-Kommission zufolge die Anforderungen an den Zeitraum, also an die Dauer, die die Fahrzeuge einhalten müssen, um die entsprechenden Grenzwerte zu erreichen, gegenüber der Euro-6-Norm verdoppelt. Die Konformität für Pkw und Lieferwagen wird überprüft, bis die Fahrzeuge 200.000 Kilometer erreicht haben und 10 Jahre alt sind.
Last but not least, möchte man sämtliche Fahrzeuge auch manipulationssicher machen. So müssen die Fahrzeughersteller sicherstellen, dass Tachometer, Einspritzsysteme oder Steuergeräte nicht manipuliert werden können. Nachgedacht wird auch über ein sogenanntes Onboard-Monitoring-System (OBM), das in der Lage ist entsprechende Emissionsüberschreitungen zu erkennen und anzuzeigen.
Hintergrund: Der Green-Deal
Der „Green-Deal“ ist ein sektorübergreifender und ganzheitlicher Ansatz der Europäischen Union, bis 2050 klimaneutral zu werden. Er beinhaltet politische Initiativen und Regelungen, mit dem die EU und deren Mitgliedsstaaten in die Lage versetzt werden sollen, einen grünen Wandel zu vollziehen.
Zu den Initiativen des „Green-Deal“ gehören unter anderem das Paket „Fit für 55“. Damit werden die Klimaziele des Grünen Deals in Rechtsakte übertragen. Ziel ist es, die Rechtsvorschriften der EU an die Klimaziele der EU anzupassen und bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent zu senken.
Der Europäische Rat hat Ende März 2023 im Rahmen des Pakets „Fit für 55“ eine Verordnung zur Verschärfung der CO₂-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge angenommen. Mit den neuen Vorschriften sollen dem Rat zufolge die Emissionen aus dem Straßenverkehr, der den höchsten Anteil an den verkehrsbedingten Emissionen hat, verringert werden. Der Anteil des Straßenverkehrssektor an den gesamten CO₂-Emissionen in Deutschland ist laut Umweltbundesamt seit 1990 von etwa 13 Prozent auf 19,4 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Ursächlich ist der zunehmende Schwerlast- und Individualverkehr. Die neue Abgasnorm Euro 7 soll nachhaltig dazu beitragen, den Green-Deal zu realisieren. Der Automobilindustrie sollen die richtigen Impulse für die Umstellung auf emissionsfreie Mobilität gegeben und zugleich kontinuierliche Innovationen in der Branche sichergestellt werden.
Die Vorschriften des Europäischen Rats beinhalten die CO₂-Emissionsminderung von 55 Prozent für neue Pkw und von 50 Prozent für neue Llkw von 2030 bis 2034 gegenüber den Werten von 2021 sowie die CO₂-Emissionsminderung von 100 Prozent für neue Pkw und Llkw ab 2035. Auch auf sogenannte E-Fuels nimmt der Rat Bezug. Demnach wird die EU-Kommission nach Integration der Interessenträger und im Einklang mit dem Unionsrecht, außerhalb des Geltungsbereichs der für die Fahrzeugflotten geltenden Abgasnormen, einen Vorschlag für die nach 2035 erfolgende Zulassung von Fahrzeugen, die ausschließlich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, vorlegen.
Euro 7 weckt Skepsis bei den Beteiligten
Tatsächlich führt die geplante Einführung der neuen, strengeren Abgasnorm Euro 7 zu Skepsis, vor allem in der Automobilindustrie. Es wird befürchtet, dass die Zeiträume zur Entwicklung entsprechend performanter Abgassysteme und die Integration in das Motormanagement viel zu kurz seien. Zudem würden die Kosten für Neufahrzeuge aufgrund der komplexen Technologie drastisch steigen. Die Preise, vor allem für Kleinwagen, könnten überproportional in die Höhe schießen. Die EU-Kommission sieht dies anders. Sie geht von Mehrkosten von lediglich 80 bis 150 Euro pro Fahrzeug aus. Der VDA und die ACEA (European-Automobile-Manufacturers-Association) dagegen befürchten deutlich höhere Mehrkosten, teils vier bis zehnmal so hoch. Zudem ist die Messung der Bremspartikel- und Reifenpartikel-Emissionen unter vergleichbaren Bedingungen längst nicht geklärt.
Das letzte Wort in Bezug auf die Euro 7 ist also noch nicht gesprochen, die Mühlen in der EU-Kommission und den beteiligten Gremien mahlen langsam. Letztendlich müssen die EU-Staaten mit entsprechender Mehrheit zustimmen. Deal?