Die Absenkung des Kohlendioxidausstoßes im Güterverkehr (Dekarbonisierung) gilt als eine der größten Herausforderungen für die Hersteller von Nutzfahrzeugen. Neben den Bemühungen, durch entsprechende Abgasreinigungssysteme die CO2-Emissionen weiter zu reduzieren, verfolgen die Unternehmen die Entwicklung von batterieelektrisch-angetriebenen Lkw (BEV=Batterie-Electric-Vehicles), die sich für die Kurz- und Mittelstrecke eignen. Flankierend setzen die Lkw-Hersteller auch auf die Brennstoffzelle FCEV (Fuel-Cell-Electric-Vehicle), um längere Wegstrecken emissionsfrei zurückzulegen. Allein die Bundesregierung fördert mit rund acht Milliarden Euro 62 Wasserstoff-Großprojekte in Deutschland. Wir liefern Ihnen einen Überblick.
Ein E-Truck (BEV) mit beladenem Koffer oder Auflieger sei zu schwer, die Reichweiten der Fahrzeuge zu gering, die Abhängigkeit von den Lademöglichkeiten zu hoch. Tatsächlich sind batterieelektrisch-angetriebene Lkw auf der Langstrecke und im internationalen Schwerlastverkehr schwierig darstellbar. Was jedoch die Kurz- und Mittelstrecke (short-/medium-haul) angeht, gelten diese Vorurteile längst als antiquiert. Heute rollen bereits unzählige batterieelektrische Trucks in unterschiedlichen Gewichtsklassen auf Deutschlands Straßen. Mit Erfolg! So lag laut KBA im Jahr 2020 der Bestand an zugelassenen Lastkraftwagen mit batterieelektrischem Antrieb in Deutschland bei 32.210 – mit steigender Tendenz.
Ein Beispiel für einen batterieelektrischen Lkw ist der eActros von Daimler. Der schwäbische Lkw-Hersteller belegte mit umfangreichen Tests (auch im Winter), dass technisch über 200 Kilometer Reichweite ohne nachzuladen kein Problem ist, je nach Topografie des Geländes und Zuladung. Bereits seit Juli 2019 ist, neben anderen Fahrzeugen, ein eActros im Kundeneinsatz unterwegs und hat bisher mehr als 50.000 Kilometer zurückgelegt. Seitdem wuchs das Ladegewicht von anfangs rund vier Tonnen immer weiter, die Reichweite, dank rasanter Entwicklungen im Batteriebereich, ebenfalls. Der Stromer hat sich im Verteilerbetrieb und auf der Kurzstrecke bestens bewährt, der Anlauf der Serienproduktion des eActros ist laut Daimler Trucks noch im Jahr 2021 geplant. Die Leistungswerte dürfte ebenfalls nochmal steigen.
Daimler Trucks hat zusätzlich elektrische Lkw der Konzernmarke Freightliner für Kundentests in Nordamerika auf die Straße gebracht. Die sogenannte Customer Experience (CX) Testflotte von Daimler Trucks North America (DTNA) besteht aus sechs schweren Freightliner eCascadia und zwei mittelschweren Freightliner eM2 106. Die Markteinführung der beiden Lkw Freightliner eCascadia und eM2 ist den Angaben zufolge für Ende 2021 geplant.
Auch andere Lkw-Hersteller setzen auf den batterieelektrischen Antrieb und bilden definierte Einsatzszenarien erfolgreich ab. So hat Scania jüngst den 25L BEV vorgestellt, der in verschiedenen Leistungsklassen angeboten wird. Auch dieses Fahrzeug ist für den lokalen Verteilerverkehr konzipiert. Der Vorteil: Die Lärmemissionen beschränken sich auf das Reifen-Abrollgeräusch. Somit sind auch nächtliche Lieferungen und Fahrten durch Innenstädte und Wohngebiete möglich. Die Konzernschwester MAN produziert mit dem eTGM seit November 2019 eine Kleinserie und ist seit 2020 bestellbar. Das Fahrzeug ist für den innerstädtischen Lieferverkehr vorgesehen. Es kann aufbauseitig als Kühlfahrzeug, mit Wechselbrücke oder Getränkeaufbau konfiguriert werden.
Der eTGM bietet dafür ein zulässiges Gesamtgewicht von 26 Tonnen, das Leergewicht liegt bei zirka 10.750 kg, ein Trockenkoffer wiegt zwischen 2.500 bis 3.000kg. Mit diesem Aufbau lieg die Nutzlast also bei etwa 12,5 Tonnen. Der eTGM wird von einem Elektromotor mit 264 kW (360 PS) Leistung angetrieben, der ein Drehmoment von maximal 3.100 Nm bereitstellt, so MAN. Unter dem Dach von TRATON arbeitet MAN mit Scania bei Themen wie Entwicklung, Einkauf und Montage zusammen.
Volvo hat unlängst den Verkaufsstart der drei neuen Elektromodelle FH-, FM- und FMX-Electric angekündigt. Damit verfüge man mit sechs mittelschweren und schweren Lkw eigenen Angaben zufolge über das umfangreichste Angebot an batterieelektrischen Fahrzeugen. Im Übrigen hat Volvo gerade ein akustisches Warnsystem für e-Trucks entwickelt. Der Hintergrund: Ab dem 1. Juli 2021 müssen alle neuen Elektrofahrzeuge in der EU einen bestimmten Schallpegel (AVAS, Acoustic-Vehicle-Alerting-System) abgeben, wenn sie mit einer Geschwindigkeit von weniger als 20 km/h unterwegs sind. Anhören kann man sich die Sounds beispielsweise auf www.krafthand-truck.de<LINK>.
Der „D Wide Z.E.“ von Renault Trucks ist bereits seit 2019 zu haben und verfügt über zwei Elektromotoren und einer Gesamtleistung von 370 kW. Die Reichweite soll bis zu 200 Kilometer betragen. Das Fahrzeug ist mit entsprechendem Aufbau, beispielsweise für den innerstädtischen Entsorgungsbereich, mit einer 26-Tonnen-Version unterwegs.
Der niederländische Lkw-Hersteller DAF liefert ab dem zweiten Quartal 2021, neben dem CF Fan Electric, den CF FT Electric, mit einem zugelassenen Gesamtgewicht von bis zu 37 Tonnen (GCW), aus. Das Fahrzeug ist ebenfalls permanent weiterentwickelt worden und schafft heute eine Reichweite von 200-220 Kilometer. Laut DAF versorgt in der neuesten Generation ein relativ kleiner und leichter Lithium-Ionen-Akku mit 315 kWh effektiver Kapazität das E-Aggregat mit Strom. Die ebenfalls zum Mutterkonzern Paccar gehörende Marke Peterbilt, hat mit dem Model 220 EV und dem 579 EV ebenfalls batterieelektrische Trucks am Start.
Auch völlig neue Hersteller haben sich der Entwicklung batterieelektrischer Lkw verschrieben und entsprechende Fahrzeuge bereits auf die Straße gebracht. Beispielsweise ist der Volta Zero den Angaben des schwedischen Herstellers zufolge das weltweit erste vollelektrische 16-Tonnen-Nutzfahrzeug, das speziell für den innerstädtischen Warenverkehr (Last-Mile) entwickelt wurde. Der Zero erreicht eine rein elektrische Reichweite von 150 bis 200 Kilometer.
Der Nikola Tre auf Basis des Iveco S-Way ist eine Gemeinschaftsentwicklung des Joint Venture zwischen Iveco und dem US-amerikanischen Start-Ups Nikola Motors. Erste Prototypen (BEV) werden bereits in Ulm gefertigt und getestet. Die Auslieferung der ersten Fahrzeuge ist noch 2021 geplant. Mit dem Nikola Two soll ein Brennstoffzellen-Fahrzeug folgen, der Nikola Tre FCEV bildet, wenn man so will, die Hybridvariante ab.
Mit dem BEV Futuricum Logistics 18E, der Firma Designwerk Products AG, geht ein weiterer Lkw mit Brennstoffzellen-technologie ins Rennen. In der Schweiz laufen für den Auslieferer DPD bereits die ersten Fahrzeuge. Tesla hat die vollelektrische Schwerlast-Zugmaschine „Semi“ bereits Ende November 2017 vorgestellt. Die Auslieferung erster Fahrzeuge, die zuerst für 2019 geplant war, verzögert sich aufgrund von Weiterentwicklungen. Gebaut werden soll der Semi in der neuen Giga-Factory in Austin, Texas.
Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb (FCEV) erreichen höhere Reichweiten von rund 1.000 Kilometer und sind ebenfalls bereits auf der Straße und im Testbetrieb unterwegs. Beispiele sind der Mercedes-Benz GenH2 (Flüssigwasserstoff), der Hyundai XCient, der Peterbilt 579 EV oder der HyMax 450 von Hyzon auf Basis eines DAF-Chassis. Daimler Trucks arbeitet zur Realisierung der Serienreife beispielsweise mit Volvo im Rahmen des Brennstoffzellen-Joint-Ventures Cellcentric zusammen, Paccar mit Toyota.
Im Gegensatz zur Ladeinfrastruktur bei BEVs, die bereits eine gewisse Ausbaustufe erreicht hat, ist das „Tankstellennetz“ was Wasserstoff angeht noch sehr überschaubar, speziell was die internationale Abdeckung betrifft. Doch auch hier sind die Zeichen der Zeit erkannt worden.
Auch vermeintlich branchenfremde Unternehmen wie der Reifenhersteller Michelin forscht in Sachen Brennstoffzelle. Das Unternehmen investierte bereits 2019 zusammen mit dem Automobilzulieferer Faurecia 140 Millionen Euro in das Joint Venture Symbio. Hinter dem Namen steht ein Gemeinschaftsunternehmen, das 2021 in Saint-Fons bei Lyon mit dem Bau der größten Fabrik für die Produktion von Wasserstoff-Brennstoffzellensystemen in Europa starten möchte – und dies ist nur ein Beispiel. Es tut sich also einiges um die Dekarbonisierung um Güterverkehr voran zu bringen.
Im Übrigen: Das Fahren eines E-Trucks macht richtig Spaß. „Unseren Fahrerinnen und Fahrern berichten von einer sehr ruhigen und entspannten Fahrweise. Es gibt keine Schaltunterbrechungen, das leise Dahingleiten reduziert den Stresslevel“, berichtet Rainer Schmitt, geschäftsführender Gesellschafter bei Logistik Schmitt im schwäbischen Bietigheim. Der eActros ist dort seit 2019 im Testbetrieb unterwegs.
Georg Blenk, Krafthand Medien